Wer schon als Kind gerne ein Ritter sein wollte, den lässt die Sehnsucht, ein Schwert zu halten meist sein Leben lang nicht los. Manche kaufen sich ein billiges Exemplar aus Edelstahl und hängen es an die Wand und sind damit zufrieden, es hin und wieder im Wohnzimmer zu schwingen, oder im Garten, wenn man mal wieder die Nachbarn erschrecken möchte.
Manch anderen hingegen lässt die heiße Liebe zum kalten Stahl keine Ruhe. Man will ja das schöne Schwert an der Wand auch führen können und es beginnt die fieberhafte Suche nach Lehrmaterial. Dabei stellt der willige Schüler dann alsbald fest, dass er ohne praktische Erfahrung die Abhandlungen ebenso gut als Klopapier verwenden könnte. Dann soll es die Suche nach einer Schwertkampfgruppe richten.
Doch was soll man nehmen? Klingt doch Kendo, Escrima und Arnis nach asiatischem Branntwein, HEMA wie eine Abkürzung für eine Krankheit und Fechten nach den femininen Bübchen im weißen Kleid, welche immer im Fernsehen mit dünnen Eisenruten fangen spielen. Begegnet einem dann noch das Wort „Bartitsu“ ist man verführt, zu antworten: „Gesundheit“.
Doch für was stehen diese Namen nun? Was lernt man im jeweiligen Klub? Und vor allem, wie realitätsnah sind Sie? Man will ja nicht Jahre darauf verschwenden, sinnloses Rumgefuchtel zu perfektionieren. Das überlässt man dann doch lieber den Star Wars Fans.
Am bekanntesten ist wohl Kendo. Die japanische Kunst des Schwertkampfes, wie es schon die Samurai lernten. Der größte Vorteil von Kendo ist die lange, ungebrochene Tradition (Bis auf ca 10. Jahre Ausübungsverbot nach dem 2. Weltkrieg). Wer Kendo lernt, der lernt auch ein seit Jahrhunderten bestehendes System, an dem nicht viel herumgedoktert worden ist.
Ein Nachteil des Systems ist die Besonderheit des Katana. Es ist eine, einseitig geschliffene Zweihandwaffe, welche zwar mit Hieben tiefe Wunden reisst, jedoch eine sehr schlechte Stichwaffe ist, da durch die Krümmung der Klinge und der runden Spitze die Klinge schnell abgleitet.
Ein anderes Problem sind die rein sportlich ausgerichteten Klubs. Da einige der Techniken aus verschiedenen Gründen bei sportlichen Turnieren nicht erlaubt sind muss man aufpassen, einen Lehrer zu finden, der einem auch wirklich das gesamte Spektrum der Möglichkeiten beibringt, anstatt nur auf den Medallienspiegel zu schielen.
Escrima und Arnis sind Namen für die philippinischen Kampfkünste. Während darunter viele Disziplinen fallen, wird daraus in der westlichen Welt meistens nur eine Schule für Stockkampf und Messerabwehr. Das ist soweit nicht schlimm, aber die Techniken für kurze Stöcke lassen sich nur bedingt, teils garnicht mit „richtigen“ Schwertern umsetzen. Und wer einem Gegner mit gezücktem Messer gegenüberstehen muss kann nur hoffen, seine Stöcke dabei zu haben. Ansonsten gilt die alte Weisheit, dass der Sieger eines Messerkampfes in die Notaufnahme kommt und der Verlierer in die Leichenhalle.
Dazu gibt es eine Menge falscher Lehrer, welche sich nicht durch Ihr fehlendes Können davon abhalten lassen, Schüler gegen viel Geld zu unterrichten. Wer sich hingegen für Stockkampf interessiert, kann es ruhig ausprobieren.
Fechten ist den meisten heute nur noch ein Begriff im Bezug auf die olympischen Spiele, wo immer zwei Typen ganz in Weiß sich innerhalb einer halben Sekunde mit einer Stahlrute hauen und der Schnellere den Punkt bekommt. Leider ist da durchaus Wahres dran. Das klassische Fechten hat sich in den letzten 50 Jahren sehr zu seinem Nachteil verändert, da die Regeln für Turniere sich immer mehr von einer richtigen Kampfsituation entfernt haben. Das hält die oberen Etagen der Fechtvereinigungen jedoch nicht davon ab, über das rätselhafte Desinteresse der Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten zu sinnieren.
Das heißt nicht, dass Fechten schlecht wäre. Man muss nur einen Trainer finden, der noch nicht vom Sportfechten verdorben ist. Untrügliches Zeichen für einen guten Lehrer: Das Florett hat einen italienischen Griff, also einen richtigen Schwertgriff, statt der lausigen Pistolengriffe. Wenn der Lehrer sich nicht dagegen sträubt, seine Schüler damit zu trainieren ist schon der halbe Kampf gewonnen.
Im Fechten selbst, nach klassischer Ausbildung, gibt es drei Waffen. Florett, Säbel und Degen. Das Florett und der Degen sind reine Stichwaffen, der Säbel eine Hieb und Stichwaffe. Ihre Gemeinsamkeit besteht darin, dass alle 3 Einhandwaffen sind.
Bei einem Lehrer der alten Schule lernt man den Umgang mit einhändigen Hieb und Stichwaffen und dazu eine sehr gute Fußarbeit.
Man sollte jedoch zuerst mit dem Florett starten. Im Gegensatz zu den anderen beiden Waffen zählen beim Florett keine Doppeltreffer. Ist ja auch sinnig, schließlich würde ein Doppeltreffer bei einem echten Duel auch 2 Tote bedeuten statt zwei Sieger. Ausserdem hat das Florett ein Angriffsrecht. Das heißt, wer angegriffen wird, muss zuerst die Klinge des Gegners parieren, bevor man selbst angreift.
Das klingt zuerst idiotisch, denn wenn der Gegner einen am Großen Zeh trifft, man selbst den anderen aber auf der Brust „ins Herz“, dann ist man trotzdem in einem echten Duel der Sieger. Schließlich kann sich der Gegner ja danach nicht mehr über sein ignoriertes Angriffsrecht beschweren. Diese Regel hat jedoch einen ganz anderen Sinn. Im Gegensatz zu Boxen kann in einem Duell mit scharfen Waffen jeder Treffer tödlich sein. Darum ist das wichtigste für einen Fechter, die Klinge des Gegners abwehren und nur anzugreifen, wenn sich die Gelegenheit bietet, ohne getroffen zu werden. Schon Liechtenauer schrieb im Mittelalter von den „Meisterhauen“, also Angriffen, welche gleichzeitig nicht nur vor einem Angriff schützen, sondern den Schutz gleich auch in einen Gegenangriff verwandeln.
HEMA steht für Historical European Martial Arts, also historische, europäische Kampfkünste. Dabei handelt es sich um einen Sammelbegriff für alle europäischen (bewaffneten) Kampfkünste, welche nicht im klassischen Fechten vertreten sind. Von Schwert und Schild über Zweihandschwerter und Rapiere bis hin zu Dolchkampf, Stockkampf, Breitschwert, Speer und schwerem Säbel wird so ziemlich alles probiert. Explodiert ist diese Gruppe mit Ihren vielen Untergruppen erst richtig in den letzten 30 Jahren, da durch das Internet langsam aber sicher eine gigantische Menge an alten Kampfkunstmanuskripten der breiten Öffentlichkeit zugängig wurden. Dabei legt jedoch jede örtliche Gruppe Ihr Interesse auf den Bereich aus, der Sie am meisten interessiert. Also in 80% der Fälle das gute alte Zweihandschwert. Man wollte ja mal Ritter werden.
In der HEMA Untergruppe des Vertrauens lernt man dann den Umgang mit dem Kampfsystem der jeweiligen Zeitperiode. Zumindest, wenn man eine gute Gruppe findet. Da es keine Regularien oder Standards gibt existieren viele örtliche Grüppchen, in denen selbst der Lehrer keine Ahnung hat, was er tut. Wie man das herausfindet? Zum Beispiel, in dem fragt, nach welchen Fechtanleitungen man sich richtet. Wenn dann kommt, das brauche man nicht, bitte einfach zum nächsten Klub weitermarschieren.
Von klassischen Fechtern wird HEMA gerne als Zeitlupenfechten verspottet, da viele Klubs die Beinarbeit zugunsten von mehr Schwerttraining vernachlässigen.
Überhaupt hegen klassische Fechter und die HEMA Gemeinde eine Hassliebe zueinander. Die einen halten HEMA für einen Schwerttanz in Zeitlupe, die anderen Fechten für ein realitätsfernes Fangenspiel mit Stahlruten. Man kann es mit einer Religion vergleichen. Jeder glaubt, die einzig richtige Variante zu kennen und zu praktizieren. Grenzgänger hingegen geben zu, dass HEMA Stile etwas realitätsnäher sind, gerade was die Trefferzählung betrifft, aber klassisches Fechten eine der besten Grundlagen darstellt, um mit anderen Waffen erfolgreich zu sein.
Bartitsu wäre wohl in der ewigen Versenkung verschwunden, wäre es nicht als „Bartisu“ in Sherlock Holmes erwähnt worden. Zur Zeit von Arthur Conan Doyle war nämlich im alten England gerade ein Hype um Selbstverteidigung im Gange. Da bot es sich sehr an, dass ein gewisser Barton-Wright ein neues Selbstverteidigungssystem entwickelt hatte. Bartitsu besteht unter anderem aus Teilen von Jiu Jitsu, Boxen, Savate und Stockkampf, da damals jeder eitle Geck mit einem Spazierstock herumlief. Die Verbindung zum Schwertkampf? Jedes (funktionierende) Kampfsystem mit dem Spazierstock basiert auf den Techniken des Säbelfechtens.
Wer gerne etwas Ausgefallenes machen möchte und eine erotische Liebesbeziehung zum viktorianischen England hat, und gerne mit einer Pfeife im Mundwinkel herumläuft, könnte hier genau richtig sein.
Es bleibt die Frage, was denn nun das Richtige für den Lernwilligen ist. Einfach ausprobieren! Es gibt keinen per se besten Stil, kein perfektes System. Keine Stunde, die man im Training eines Stils verbracht ist verlorene Zeit, selbst wenn der Stil sich vom ursprünglichen Kampfgedanken entfernt hat, denn die Grundlagen der Mensur, Schrittfolgen, Haltung et cetera universell. Wie könnte es auch anders sein, waren doch alle Schwertkämpfer auf der Welt zuerst auch Menschen.