Wir allen haben diese Bilder im Kopf. Der Mann, der Abenteuer durchsteht. Der sich, nur mit Machete und 3-Tage-Bart durch den Dschungel schlägt; der zerklüftete Eiswüsten nur in ein paar Fellen gekleidet durchwandert; den Schatzjäger, mit breitkrempigen Hut, immer auf der Suche nach letzten Artefakten in der unerbittlichen Wüste. Männer, die sich mit dem Bowiemesser rasieren, mit Sandpapier waschen und Wodka trinken, um nüchtern zu werden. Überlebensgroße Helden. So stellt man Sie sich vor, doch das ist den meisten Menschen verwehrt. Die Kosten auf dem Weg zum Gipfel des Heldentums sind oft Leib und Leben. Ein Preis, den kaum jemand bereit zu zahlen ist.
Und doch wollen wir so sein, uns diesem Bild zumindest etwas annähern. Wir wollen ein Abenteuer erleben, uns von der alltäglichen Langeweile lösen. Ein Mann des Abenteuers sein. Ein anderes Bild drängt sich dann auf. Etwas alltäglicher, aber auch erreichbarer. Der Mann auf dem Motorrad.
Wie in kaum einem anderen Ding spiegelt sich in Ihm die Vorstellung von Freiheit und Abenteuer. Man hat keinen Schutz, verlässt sich nur auf die Hoffnung auf günstig gesinnte Witterung und seine eigenen Fähigkeiten. Nur wenige Zentimeter trennen den Fahrer vom Boden und jede Kurve bringt Ihm diesen bedenklich nahe. Zuviel Neigung oder zu wenig, die falsche Menge Gas oder einfach ein falsch eingeschätzter Boden und schon verlieren die Räder den Kontakt, wirft das Motorrad den Fahrer hart auf den Asphalt.
So sieht man den Fahrer mit wallender Zottelmähne und Bartansatz vor sich, wie er in einer kurzen Pause in der Wildnis mit seiner Lederjacke gegen einen Felsen gelehnt, den Blick über Motorrad und Natur schweifend, während er sich in einem kleinen, speckigen Ledernotizbuch tiefsinnige Gedanken festhält.
Man wünscht sich, man könnte er sein. Einen solchen Sinn im Leben haben, indem das Leben an sich der Sinn ist. So unendlich weit weg scheint der Traum. Doch was hält einen davon ab?
Zu teuer, schreien viele und sehen auf die Preisen von neuen Topmodellen mit bester Ausstattung. Doch die braucht es nicht. Eigentlich stehen Sie sogar im Weg mit vielen Extras, die man nicht braucht und die nur dazu da sind, vom wesentlichen Abzulenken.
Ein normales Motorrad kostet nicht viel, gerade, wenn es gebraucht ist, der Führerschein ist schnell gemacht und Helm, Handschuh, Jacke, Stiefel sind an einem Nachmittag schnell gekauft oder von Freunden besorgt, die nicht mehr die Zeit fürs Fahren haben oder sich eine neue Garnitur gekauft haben.
Wo liegt also das Problem? Ja an der Zeit, mag mancher argumentieren. Aber das ist die schlechteste Ausrede. Zeit vergeht, ob man Sie nützt, oder nicht. Doch Sie ist immer da.
Eine Woche hat 168 Stunden. Wenn man 50 Stunden die Woche arbeitet bleiben noch 118 Stunden. Und selbst wenn man nun jeden Tag der Woche 12 Stunden schläft, so blieben einem 34 Stunden. Also 5 Stunden täglich, nur für sich. Wenn man nun die Zeit nicht mit Internet und Fernsehen, mit belanglosem beschäftigt-sein vertrödeln würde bleibt auch genug Zeit.
Was bremst nun aus? Das Geld ist es nicht und die Zeit auch nicht.
Es ist nicht authentisch, unkt dann so mancher. Die Welt ist ja erschlossen und dank GPS, Internet und Smartphones näher zusammengerückt, als je zuvor. Natürliche Gefahren gibt es, zumindest in Europa, auch nicht mehr all zu viele. Der Bär traut sich nicht mehr über die Grenzen und ob der Wolf als (Re-)Immigrant mit seinen nicht mal 50 Stück in Deutschland noch lange geduldet wird von der Politik ist mehr als fraglich. Mitleid hat man, im Hinblick auf Wählerstimmen, eben nur mit Menschen. Überhaupt. Wildnis gibt es ja nicht mehr so viel zu erforschen, denn das meiste ist ja inzwischen planiert für Einkaufsmeilen. Und der Rest meist ein Naturschutzgebiet, in dem man eigentlich nicht erwünscht ist mit automobiler Technik.
Unerforscht ist an der 1. Welt eigentlich fast nichts mehr und die 3. Welt lässt sich halt nicht einfach an einem Wochenende erobern. Und selbst in den hintersten Ecken der Welt ist es schwer, nicht bereits von Backpackern mit Iphone‘s umrundet zu sein.
Überhaupt, das erwähnte Notizbuch. Dafür ist man doch gar nicht bereit. In ein Notizbuch gehört bewegendes rein, tiefsinnige Analysen der Welt der menschlichen Psyche. Wertstiftende Erkenntnisse, die noch nie zuvor gedacht wurden! Was macht es Sinn, den Stift für weniger in die Hand zu nehmen?
Nein, der Sinn eines Abenteuers ist, die eigenen Grenzen zu erweitern, selbst neue Erfahrungen zu sammeln. Sinn ist, die eigene Komfortzone zu verlassen und dabei vielleicht noch ein besserer Mensch zu werden.
Wen interessiert, ob der Berg schon von anderen erklommen, die Straße von anderen erobert, die Fähigkeit von anderen gelernt wurde? Das Abenteuer ist, über sich selbst hinaus zu wachsen.
Und da zählt jeder Schritt, solange er einen nur weiter führt. Nur wer auf der Couch bleibt, bleibt zurück. Und sei der Schritt auch noch so klein.
Doch um bei dem Bild zu bleiben, was könnte man den selbst überhaupt schreiben? Zum notieren gibt es immer etwas. Eindrücke, Gedanken, etwas auffälliges, etwas nichtiges. Hauptsache, man hat sich die Zeit genommen, etwas nicht nur zu sehen, sondern auch zu betrachten. Man tendiert viel zu sehr dazu, die Dinge zu sehen, ohne Sie zu sehen. Wann hat man sich das letzte Mal Zeit genommen, eine regungslose Wiese zu betrachten? Minuten vergehen und dann erst langsam und dann ganz plötzlich explodiert die Wiese vor den Augen in Bewegung. Auf einmal nimmt man die Blumen wahr, groß und klein, weiß, gelb, rot, lila und türkis. Die emsig fliegenden Bienen und Käfer. Die grüne Larve, welche einen Faden in den Wind geworfen hat, um von diesem mitgenommen zu werden und nun an einem vorbeigleitet . Ja selbst die Grashalme stehen nicht still, sondern wiegen sich im Wind. Verwandeln die Wiese in einen grünen Ozean, über dessen Oberfläche bedächtig Wellen rollen.
Wundervolle, atemberaubend schöne Dinge, deren Existenz wir über die Jahre im Alltagstrott vergessen haben. Ein simpler Blick, ohne mit glasigen Augen hindurch zu sehen und schon öffnen sich ganze Welten. Das wusste man noch in der Zeit vor der tragbaren Kamera, da zeichneten die Reisenden Bilder von Orten, Landschaften und Denkmäler in Ihre Notizbücher.
Und so ist das Abenteuer für jeden erreichbar. Nicht nur auf dem Motorrad, sondern in Allem. Eine Kampfkunst erlernen, Zelten, etwas zum ersten Mal selbst reparieren, eine Rede halten, jagen, Messer werfen lernen, oder sogar einfach nur seine Meinung zu sagen, wenn man es noch nie zuvor gewagt hat. Es geht nur darum, die eigene Grenze zu durchschlagen.
Lasst uns Abenteurer sein.